Augmented Reality – Von Science Fiction zum Massenmedium

Dieser Artikel erschien zuerst in der Ausgabe 1/2011 der Zeitschrift Mobile Technology aus dem Software & Support Media Verlag, Frankfurt.

Bisher haben wir Wissen und Informationen an bestimmten Orten untergebracht, z.B. in Bibliotheken, in einem Bücherregal oder in einem Computer. Aber am Ort selbst, standen uns diese Informationen tatsächlich oftmals nicht zur Verfügung. „Augmented Reality“, englisch für „erweiterte Realität“, bezeichnet eine Technologie, die die Sicht auf die reale Welt durch digitale Informationen und Objekte erweitert. Mit Hilfe von Augmented Reality bringen wir Informationen in ihren räumlichen Kontext.

Columbia University, 1996, Computer Graphics and User Interfaces Lab

Tom Caudell und David Mizell prägten den Begriff „Augmented Reality“ bereits Anfang der 90er Jahre. Sie entwickelten damals ein neuartiges Verfahren für die Firma Boeing, welches Techniker beim Verlegen von Kabelsträngen in einem Flugzeugrumpf visuell unterstützte. Mit Hilfe eines sogenannten Headmounted Displays konnten den Technikern Informationen über die Verlegung der Kabelbäume in das persönliche Sichtfeld vor Ort eingeblendet werden. Ein Headmounted Display ist eine Helm Konstruktion mit Brillen-ähnlich angebrachten kleinen Bildschirmen. Ein erster Prototyp eines mobilen AR Gerätes wurde bereits 1996 von Steve Feiner und Blair Mcintyre am Computer Graphics and User Interfaces Lab der Columbia University entwickelt.

Video Überlagerung

Augmented Reality Anwendungen stellen hohe Anforderungen an die verwendete Hardware und Software. Für viele Jahre hat diese Technologie daher insbesondere im industriellen Bereich Verwendung gefunden. Erst der rasante Fortschritt in der Entwicklung mobiler Endgeräte ermöglicht es heute, diese Technologien in Anwendungen für jedermann zu übertragen.

Ein klassischer Marker

Das iPhone und die Android Mobiltelefone sind in kürzester Zeit zu Augmented Reality Sichtgeräten für jedermann geworden. Sie verfügen über alle benötigten Komponenten. Die eingebaute Kamera und der große Bildschirm dienen als Sichtfenster in die reale Welt, ähnlich dem Sucher einer Videokamera. Digitale Informationen werden in das live Videobild eingefügt, es wird mit Zusatzinformationen überlagert. Diese ortsbezogenen Informationen ruft das Mobiltelefon aus dem Internet ab und überträgt dabei Angaben zum aktuellen Standort. Dieser wird im allgemeinen über GPS bestimmt, ähnlich zu Navigationssystemen im Auto. Aber auch Funkmasten und kabellose Netzwerke können bei der Ortsbestimmung helfen. Die Blickrichtung liefert ein eingebauter Kompass. In modernen Geräten findet zusätzlich ein sogenanntes Gyroskop Verwendung, mit dessen Hilfe die Orientierung des Geräts im Raum sehr exakt bestimmt werden kann. Die Ortsbestimmung durch GPS und Kompass nennt man auch „Markerless Tracking“.

Das sogenannte „Markerbased Tracking“ hingegen beruht darauf, bestimmte Markierungen in der realen Welt zu identifizieren und aus diesen Markierungen den eigenen Standort abzuleiten. Hierzu ist eine Analyse des Videobildes notwendig, die sehr rechenintensiv ist. „Markerbased Tracking“ wurde daher zunächst insbesondere für Augmented Reality Anwendungen am Desktop Computer eingesetzt. Eine Webcam und der Computerbildschirm übernehmen die Funktion des Sichtgerätes. Der Anwender hält einen Marker in das Sichtfeld der Kamera, der Marker erscheint auf dem Bildschirm des Computers und wird durch dreidimensionale Objekte auf dem Bildschirm ergänzt, die scheinbar auf dem Marker stehen. Dreht man den Marker, so dreht sich das dreidimensionale Objekt auf dem Bildschirm entsprechend mit. Heutzutage können solche Anwendungen auch auf Mobiltelefonen ausgeführt werden – eine Folge der stetig steigenden Rechenleistung moderner Smartphones und der Entwicklung optimierter Algorithmen für die mobile Nutzung.

Beide Technologien haben Stärken und Schwächen. So funktioniert das „Markerless Tracking“ fast überall auf der Welt, denn GPS und Kompass funktionieren fast überall. Allerdings nur draußen, denn GPS erfordert Sichtkontakt zu den Satelliten. „Markerbased Tracking“ hingegen funktioniert insbesondere in Innenräumen, eine großräumige Anwendung draußen ist mangels geeigneter Marker oftmals unpraktikabel. „Markerless Tracking“ kann nur so genau sein wie das GPS Signal, also bestenfalls mit einem Fehler von ca. 3 Metern. Das „Markerbased Tracking“ gelingt üblicherweise deutlich präziser, oft sogar im Zentimeter Bereich. Schon bald werden diese Technologien Hand in Hand arbeiten, nicht zuletzt auch auf Grund der rasanten Weiterentwicklung leistungsstarker Hardwarekomponenten.

Erste Anwendungen

Die ersten mobilen Augmented Reality Anwendungen sind die sogenannten „Wo ist“-Anwendungen. Marker und Icons, die in einer Art Wolke um den Nutzer schweben, helfen bei der Suche nach Geschäften, Restaurants und Geldautomaten. Oft sind diese Markierungen mit mobilen Webseiten verlinkt.

Empfehlungen aus Qype in Layar Augmented Reality Browser

Viele Informationen, die im Web bereits vorhanden sind, werden auf diese Weise in die erweiterte Realität übertragen. Dazu müssen die Datensätze lediglich mit Geokoordinaten versehen werden. Viele Datenquellen verfügen bereits über geokodierte Datensätze. So sind beispielsweise viele Twitter Nachrichten mit einer Ortsinformation versehen, aber auch viele Artikel aus Wikipedia sind einem Ort zugeordnet. Auch Empfehlungen von Restaurants und Bars, wie beispielsweise die der Community Plattform Qype sind als AR Anwendung verfügbar. Solche Anwendungen sind praktisch, da die Kommentare zu einem Restaurant in der erweiterten Realität praktisch an die Eingangstür des Lokals geheftet werden. Der Anwender richtet lediglich die Kamera seines Telefons auf das Lokal, und die Bewertungen erscheinen sofort auf dem Bildschirm. Ein aufwändiges Suchen und Navigieren auf mobilen Webseiten entfällt. Dutzende Applikationen für iPhones und Android Smartphones bringen auf diese Weise Daten in einer AR Ansicht auf das Mobiltelefon.

AR Browser

Mobile AR Browser gehen einen Schritt weiter und definieren eine offene Schnittstelle für die Anbindung externer Daten. Ähnlich wie ein Webbrowser Inhalte aus dem Web darstellt, dient der AR Browser dazu, Inhalte in Augmented Reality darzustellen. Für die Entwickler von AR Anwendungen sind solche Browser interessant, da sie die Implemetierung der AR Ansicht auf dem Mobilgerät übernehmen. Die Hersteller solcher Browser implementieren ihre Software oft sogar parallel für mehrere mobile Betriebssysteme und schaffen so eine plattformunabhängige Umgebung, in der sich der Entwickler auf die eigentliche Arbeit, nämlich die Erzeugung von Inhalten konzentrieren kann. Die bekanntesten AR Browser sind derzeit Layar, Junaio und Wikitude.

Content Management

Hoppala Augmentation AR Content Management System

Alle AR Browser haben gemein, dass die Zulieferung von Inhalten über Webservice Technologien erfolgt. Möchte man also Inhalte in AR erzeugen, so steht man unter anderem vor der Aufgabe, Programmcode zu erzeugen – ähnlich zu den Anfangszeiten des WWW, als Webseiten direkt in HTML programmiert werden mussten. Erst Werkzeuge wie Dreamweaver ermöglichten später jedermann, Webseiten einfach per Mausklick zu erzeugen. Solche Werkzeuge stehen heutzutage auch für Augmented Reality Anwendungen zur Verfügung. Content Management Systeme wie Hoppala Augmentation ermöglichen auch Nicht-Technikern die Entwicklung von AR Inhalten einfach im Web. Per Mausklick werden Inhalte und Metadaten hochgeladen, per drag&drp auf einer Karte platziert und für einen AR Browser publiziert.

Aktuelle AR Anwendungen

„Wo ist“-Anwendungen sind im Wesentlichen Wegweiser und nutzen die Möglichkeiten von Augmented Reality nur in Ansätzen, viele von ihnen ließen sich ähnlich gut auch auf einer einfachen Karte abbilden. Augmented Reality aber ist ein neues Medium, und wie jedes Medium schafft es neue Ausdrucksformen, die über das hinausgehen, was mit traditionellen Medien möglich war. Bilder, Audio, Video und dreidimensionale Inhalte schaffen im Ortskontext eine unmittelbare und eindringliche neue mediale Erfahrung. In den Bereichen Tourismus und Bildung entstehen bereits heute sehr interessante neue Projekte. Augmented Reality Anwendungen erweitern die Wahrnehmung eines Ortes durch die Anreicherung mit Informationen aus der Vergangenheit oder der Zukunft. Informationen, die heute nicht mehr oder noch nicht sichtbar sind, werden Teil der realen Welt durch AR.

Berliner Mauer 3D in Augmented Reality

Das Projekt „Berliner Mauer 3D“ beispielsweise baut die Berliner Mauer wieder auf – in Augmented Reality und in 3D. Mit dem Mobiltelefon in der Hand eröffnet sich ein vollkommen neuer Blick auf das Brandenburger Tor, den Reichstag oder den Potsdamer Platz. Die virtuelle Mauer steht in 3D dort, wo einstmals die echte Mauer Berlin geteilt hat, in ihrer tatsächlichen Größe. Auf diese Weise lässt sich tatsächlich nachempfinden, wie diese 3,5 Meter hohe Betonwand wirkt, wie sie den Blick versperrt, der heute wieder frei ist.

Das Virtual Public Art Project des New Yorker Künstlers Chris Manzione - in 3D

Das Virtual Public Art Project realisiert dreidimensionale virtuelle Kunstaustellungen in der erweiterten Realität. Der Künstler Chris Manzione sagte hierzu: „Kernelement unserer Augmented Reality Anwendung ist, dass die Ausstellungsobjekte spezifisch für den jeweiligen Ausstellungsort konzipiert sind. Damit unterscheiden sie sich zu anderen digitalen Medien, die sehr leicht transferiert und weitergegeben werden können. Sie erfordern die Anwesenheit des Betrachters und die Interaktion mit dem Ort selbst.“

Ein neues Medium

Augmented Reality ist nicht etwa ein weiteres Feature rund um ortsbezogene Dienste. Augmented Reality ist ein neues Medium. Es ist die einzige Anwendung, die alle Komponenten eines modernen Mobiltelefons gleichzeitig verwendet: Kamera, Bildschirm, Ortsbestimmung, Orientierung, Datenanbindung, Grafik, Prozessorleistung. Viele namhafte Akteure der Mobilbranche haben dies erkannt und setzen auf Augmented Reality Anwendungen, um die Vorzüge der eigenen Technologie zu demonstrieren.

Chip Hersteller wie Qualcomm oder Texas Instruments engagieren sich in AR, um die Möglichkeiten ihrer mobilen Chips imposant unter Beweis zu stellen. Die Hersteller von Mobiltelefonen setzen auf AR, um die Fähigkeiten Ihrer Geräte zu demonstrieren. Und selbst Netzbetreiber offerieren Ihre Verträge und passende Geräte mit den datenhungrigen Augmented Reality Anwendungen.

Augmented Reality verkauft Smartphones. Bis zum Jahr 2013 werden laut Gartner mehr als 1,2 Millarden AR-taugliche Mobilgeräte verkauft sein. Schon in wenigen Jahren werden Augmented Reality Anwendungen ein selbstverständlicher Bestandteil unserer mobilen Kommunikation sein.

About Marc

Marc René Gardeya is founder and CEO of Hoppala Agency, Germany. He built and operates Hoppala Augmentation, the world's largest developer community and content creation tool for geobased AR, and he received international recognition for rebuilding the Berlin Wall in AR on a consumer mobile device. He built AR experiences for several international campaigns, large scale tourism applications as well as non-profit educational projects. Marc is developing core technology in the field of mobile augmented reality and computer vision. He built the real time SLAM 3D optical tracker and the foundations of the monocular 3D reconstruction system on an iPad2 for Dekko Inc., San Francisco. He is an international speaker, mentor and trainer. Marc has a Masters degree in Mathematics and Computer Science and has been working in the field of software engineering for more than 10 years.
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